Farbgestaltung: Weder Kunst noch Dekoration
Sie suchen ein Farbkonzept für Ihre Wohnung, Praxis oder Büro? Sie haben Bedenken, dass ein kompletter Farbanstrich den Raum zu einseitig prägt oder auf Dauer schwer zu ertragen ist? Sie möchten flexibel bleiben, was Farbänderungen angeht, und den Nutzern der Räume mehr Freiheit bei der Farbstimmung lassen? Auf der anderen Seite finden Sie die weiße bzw. graue Tristesse, die man heute noch immer vor al lem in vielen Büros, Verwaltungen, Schulen oder Krankenhäusern antrifft, auch nicht besonders attraktiv. Was tun?
Gerade in Räumen mit wechselnden Nutzungen und mit weißen Wänden, die aus technischen Gründen nicht umgestrichen werden können, haben sich bewegliche großformatige Bilder und Farbflächen bewährt, die in ihren Proportionen, in ihrer Farbdynamik, Stimmungswirkung und hinsichtlich ihres Stils auf den jeweiligen Raum und seine Nutzer abgestimmt sind. Sie werden dort installiert, wo eine farbliche Verbesserung der Raumstimmung gewünscht ist, und können kurzfristig verändert oder ausgetauscht werden. Solche Installationen sind weder als reine Deko noch als anspruchsvolle Kunst zu verstehen, sondern als ein zweckmäßiges Konzept, Räume mit Farbklängen zu „versorgen“. (Das Atelier des Autors hat ein solches Gestaltungskonzept unter dem Namen Farbemobil® 2005 entwickelt und publiziert.)
Im Mittelpunkt steht der Raum
Im Mittelpunkt der Gestaltung steht nicht ein Bildwerk oder Kunstobjekt, sondern ein Raum, der farblich Identität gewinnen soll. Wobei wir „Raum“ in vierfacher Hinsicht interpretieren:
- die physikalische Gebäudearchitektur: Die Formate und Proportionen der farbigen Installationen werden in die bauliche Struktur eingepasst. Ihre Bildkanten greifen Maße, Formen und imaginäre Linien auf, die dem Raum seine architektonische Struktur geben. Die Bilder und Farbtafeln sollen vereinheitlichen, zusammenfassen und integrieren – nicht vervielfältigen, auffächern oder etwas herausstellen. Farbe mobil Installationen sehen so aus, als seien sie von Anfang an mit dem Raum zusammen geplant.
- die Funktion: Farb- und Bildinstallationen haben die Aufgabe, die Tätigkeiten, die in einem Raum verrichtet werden, zu begleiten und zu unterstützten, sei es Arbeiten oder Entspannen, Essen, Kommunizieren, Lernen, Warten… Flure und Treppenhäuser beispielsweise sind Verkehrsräume. Sie dienen in erster Linie der Bewegung, nicht dem Verweilen. Sie in Wechselausstellungen umzufunktionieren, ist nicht im Sinn ihrer Funktion. Im Gegenteil: Die Bilder und Farbtafeln sollten zur Bewegung ermuntern! Andere Flure – etwa in Altenheimen oder Krankenhäusern – laden auch zum Verweilen ein: aber bitte mit Bildern und Farbklängen, die die Stimmung und Zuversicht der Raumnutzer zum Guten beeinflussen und nicht eintrüben! Und hier sind wir bei der dritten Raumdimension:
- die Atmosphäre: Farbige Gestaltungen können daran beurteilt werden, wie ernst sie die Wahrnehmungsbedürfnisse und Sehgewohnheiten der Nutzer nehmen und ob sie mit deren seelischer Resonanz rechnen. Die Empfindungen der Menschen, die in einem Raum leben bzw. arbeiten, sind die Mess latte, nicht der individuelle Ausdruckswille des Gestalters. Genau so wenig wie ein Bäcker trivial ist, weil er ein lebenswichtiges Brot backt, genauso wenig sind mobile Farbgestaltungen trivial, nur weil sie sinnliche „Nahrung“ bieten und seelische Prozesse auslösen, ohne die das Leben in Innenräumen sehr öde sein kann. Farb- und Bildinstallationen können je nach Bedarf motivieren und stimulieren, anregen und beruhigen, für bessere Orientierung im Gebäude sorgen, Räume individualisieren, störende Einflüsse kompensieren und vieles mehr.
- der Stil: Im Idealfall sind die farbige Installation und die übrige Raumgestaltung wie aus einem Guss. Harmonie hat nichts mit gefälliger Verschönerung zu tun, sondern ist eine Frage des durchgängigen Stils: eines Gebäudes, einer Nutzergruppe, einer Zeit, eines Milieus.
Fokussiert und peripher Wahrnehmen
Wahrnehmungspsychologen unterscheiden beim menschlichen Wahrnehmen zwischen der „Figur“ und dem „Grund“. Sie gehen davon aus, dass das Wahrnehmungsfeld zunächst unstrukturiert ist, und dass das Fokussieren der Aufmerksamkeit auf bestimmte Details dazu führt, „Figuren“, das heißt erkennbare, erinnerbare Gestalten aus dem „Rauschen“ der Wahrnehmung heraus zu destillieren. Das Erkennen von „Figuren“ im Wahrnehmungsfeld hat mit der verstandesmäßigen Identifizierung von Inhalten zu tun, die dadurch eine Bedeutung bekommen.
Daneben existieren unterschwellig wahrgenommene, nicht ins reflektierende Bewusstsein gelangende sinnliche Inhalte, die den Hintergrund der Figurerkennung bilden. Diese unterschwelligen Wahrnehmungen sind jedoch maßgeblich daran beteiligt, wie wir die Atmosphäre bzw. Stimmung einer Situation erleben. Auch bei Farbe mobil Installationen spielt der Dualismus beider Wahrnehmungsformen eine wichtige Rolle, oft in der Form, dass kleinere gegenständliche Motive in großflächige Farbklänge eingebunden werden. Eins der beliebtesten Motive ist die „Baumserie“ (1). Das im impressionistischen Stil gemalte Parkbild kann für sich allein betrachtet werden, hat dann aber keine nennenswerte Bedeutung für die Stimmung des Gesamtraums. Auf der anderen Seite machen rote und grüne Farbtafeln, isoliert im Raum aufgehängt, einen gestalterisch unmotivierten erklärungsbedürftigen Eindruck. Warum hängt man farbige Leinwände auf, die keine „Bedeutung“ haben? Erst in der Kombination beider Darstellungsweisen entsteht ein Ganzes: Das Parkmotiv ist atmosphärisch eingebunden, und die Farbtafeln erhalten durch die gegenständliche Malerei eine Art Rechtfertigung ihres Daseins. Beide Darstellungsformen, die konkrete und die unbezogene, haben einen ähnlichen Gehalt, adressieren ihn aber an zwei unterschiedliche Wahrnehmungskanäle. Im Idealfall übermitteln die reflektierte Botschaft des Bildmotivs und die stimmungshafte Botschaft des Farbklangs dieselbe Empfindung. Die großen Farbflächen sind nötig, um eine Gegenwirkung zum Weiß der Wände zu entfalten und die Lichtstimmung des Raums entsprechend zu verändern. Das Bildmotiv ist nötig, um der Aufmerksamkeit einen zentralen Inhalt anzubieten, der einfach verstanden werden kann. So wird Bewusstsein auf einer „Figur“ fokussiert, und der „Grund“ (die Farbtafeln) verbleiben im Atmosphärischen. Würde man fragend auf im Raum verteilte Farbflächen blicken und in ihnen eine Bedeutung suchen, wäre ihre atmosphärische Wirkung wesentlich geringer! Die Farbtafeln entziehen sich einer gegenständlichen Interpretation umso stärker, je unfasslicher und schwebender ihre Farbigkeit wirkt. Darum werden sie in lasierender Malweise erstellt. Dabei schimmert der helle Malgrund durch zahlreiche halbtransparente Farbschichten hindurch. Dieses Tiefenlicht verleiht den Farben eine schwebende Leichte, räumliche Tiefe und nuancenreiche Lebendigkeit.
Von Feng Shui bis Corporate Design
Auf unterschiedliche Arten lassen sich zentriertes und peripheres Wahrnehmen kombinieren, um starke, für die Raumwirkung bedeutsame Eindrücke zu erzeugen. Eine rund 15 m² große Installation zeigt beispielsweise in der Nahbetrachtung eine relativ freie und unbezogen wirkende Farbigkeit. Bei größerem Abstand wird jedoch ein gegenständlicher Zusammenhang erkennbar, in diesem Fall das Bild eines Vorhangs. Zugleich vermittelt die Malerei dem sehr technisch organisierten Auditorium die Qualitäten von Weichheit und Nachgiebigkeit. Die großen Bildtafeln (Trägermaterial Plastik) werden reversibel auf den metallenen Wandelementen fixiert. In einem Fitness-Studio, das einen asiatischen Stil anklingen lässt, wurden zahlreiche große Tafeln installiert (4). Die geometrischen Binnenformen lassen sich als asiatische Schriftzeichen (Trigramme) identifizieren und liefern Angriffspunkte der verstandesmäßigen Aneignung. Der opulente Theatervorhang nimmt besonderen Bezug auf Stil und Ambiente eines Gourmet-Restaurants. Farbemobil® Installationen berücksichtigen die unterschiedlichsten Vorgaben: von Feng Shui bis zum Corporate Design.
Diese kurze Darstellung kann all denen, die kreativ mit Farbe und Leinwand umgehen, Anregungen zum selbst gestalten geben! Und wer eine Gestaltung benötigt, die er nicht selbst erstellen möchte, findet auf www.farbe-mobil.de Informationen, die weiter führen.

DER AUTOR:
Martin Benad arbeitete viele Jahre als freischaffender Künstler, Kulturpädagoge und Weiterbildungstrainer zu den Themen Erkenntnistheorie und ganzheitliches Denken. 1996 gründete er mit seiner Frau Ursula Benad das „Atelier Benad für Farbgestaltung und Wandmalerei”. Heute ist Martin Benad auch überregional als Vortragsredner und Dozent tätig und hat bereits zahlreiche Bücher veröffentlicht.
Fotos: Atelier Benad
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