Bist du verstimmt oder stimmst du?
Die Stimme zeigt, wie stark jemand mit seinem Körper und seiner eigenen Stimme in Resonanz steht und ob die äußere Stimme und die innere Stimme dieselbe Sprache sprechen. Viele Worte aus der Umgangssprache weisen darauf hin, wie eng die Stimme mit unserem seelischen Erleben zusammenhängt. Es „verschlägt uns die Stimme“, wir „haben einen Kloß im Hals“ und manchem „schnürt es vor Angst die Kehle zu“. Wenn jemand wütend oder traurig ist, kann man das direkt an der Stimme hören. Fühlen wir uns unterdrückt und klein, reagiert unsere Stimme sofort auf diesen emotionalen Zustand. Wenn wir uns nicht „stimmig” fühlen, hört man das an unserer Stimme. Stress und schlechte Stimmung haben auch unmittelbare Auswirkungen auf unsere Atmung. „Wir halten die Luft an“, um Gefühle zu verdrängen, die unerwünscht sind, oder uns „stockt der Atem“, wenn etwas Beängstigendes passiert.
Unsere Stimme ist unser alltägliches Kommunikationsmittel, das trotz des täglichen Gebrauches relativ wenig Beachtung findet. Es lohnt sich, sich bewusst mit ihr auseinanderzusetzen. Die Stimme ist das Instrument, mit dem wir uns und unsere Emotionen mitteilen und welches gleichzeitig unsere Stimmung und unser Selbst spiegelt. Wie stark die Stimme und unsere Stimmung unmittelbar miteinander verbunden sind, merkt man auch daran, dass der Wortstamm derselbe ist.
Der Kehlkopf, in dem die Stimmlippen sitzen, reagiert sofort auf Stress, Anspannung sowie auf unsere Emotionen. Die Stimmlippen, die für die Stimmgebung zuständig sind, stehen für den Ausdruck der eigenen Identität. Es sind die Saiten, die wir in uns und die uns zum Schwingen und Klingen bringen. Der Kehlkopf ist locker über verschiedene Muskelstränge im Hals aufgehängt. Sind wir gestresst und verspannt, entsteht ein Zug an den Muskelsträngen des Kehlkopfes. Dieser hängt dann nicht mehr locker, sondern ist angespannt und nicht mehr frei beweglich. Somit können auch unsere Stimmlippen nicht mehr frei schwingen, was einen sofortigen Einfluss auf unseren Stimmklang hat.
Auch unsere Atmung wird von unserer Stimmung beeinflusst. Unter Stress oder wenn wir Angst haben, wird die Atmung flach und beschleunigt sich. Wir schöpfen nicht mehr die volle Kapazität der Lunge aus. Zudem ändert sich oft unsere Körperhaltung. Sind wir zum Beispiel niedergeschlagen, traurig oder verunsichert, sacken unsere Schultern und der Kopf gerne nach vorne. Der Körper ist dann nicht mehr gerade aufgerichtet und somit fehlen auch die Körperräume, um tief ein- und auszuatmen. Ist der Körper nach vorne gebeugt, können wir die Atemräume nicht effizient nutzen und haben somit nicht genug Atem für die Stimmgebung zur Verfügung. Wir können also zusammenfassen, dass unser Befinden einen großen Einfluss auf unsere Körperhaltung und auf die Spannungszustände unseres Körpers hat, welche wiederum direkt unsere Stimmgebung beeinflussen.
Man kann den Körper auch als Klangkörper ansehen. Ist dieser Resonanzkörper frei und flexibel, kann sich die Resonanz im Körper ausbreiten. Die Stimme hat dann bedeutend mehr Tragfähigkeit. Für einen klaren, klangvollen und anstrengungslosen Stimmklang braucht es das freie Mitschwingen möglichst der gesamten Körpermuskulatur. Der Körper ist wie der Klangkörper eines Instruments. Er dient als Verstärker für den Klang, der an den Stimmlippen gebildet wird.
Können wir mit unserer Stimme die Stimmung beeinflussen?
Es gibt im Moment viele verschiedene wissenschaftliche Forschungen, die sich mit den positiven Effekten des Singens beschäftigen. Durch das Singen bringen wir den Körper zum Schwingen. Wir geben sozusagen eine Mikromassage an unseren Körper. Singen kann unseren Körper auf ganz natürliche und sanfte Art beruhigen. Durch das wiederholende Singen eines Mantras oder eines heilsamen Liedes kann der Strom der Alltagsgedanken wirksam unterbrochen werden. Ein tiefgreifender Entspannungszustand wird erreicht. Es entsteht eine verlangsamte Herzfrequenz und eine verlangsamte Atmung.
Es ist wissenschaftlich belegt, dass beim Singen ohne Leistungsdruck ein wahrer „Glücks-Cocktail“ an Botenstoffen produziert wird – um zwei davon zu nennen: Das Hormon „Oxytocin“ wirkt sich auf den ganzen Körper positiv aus, vor allem auf den Blutdruck und das Herz. Es hilft Stress abzubauen und stärkt das Immunsystem. „Serotonin“, ein lebenswichtiger Stoff, schenkt innere Ruhe und Gelassenheit und wirkt antidepressiv.
Singen ist „tönender Atem“. Singen verlängert den Prozess des Ausatmens und vertieft die Einatmung, wodurch der Körper besser mit Sauerstoff versorgt wird. Zudem wird die Atmung trainiert. Die Atemmuskulatur und das Lungengewebe bleiben elastisch und das Atemvolumen wird verbessert. Durch das gleichmäßig strömende Ausatmen können muskuläre Anspannungen und Verkrampfungen sanft aufgelöst werden. Die Ausdehnung des Atems führt zu Gelassenheit und Entspannung. Zudem wird beim Singen der Körper meist automatisch aufgerichtet.
Singen stärkt die Lebensfreude und hilft Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Zudem ist wissenschaftlich belegt, dass durch das Singen in einer Gruppe ein Verbundenheitsgefühl gefördert wird. Voraussetzung für heilsames Singen ist, sich auf die Stimme positiv einzulassen und die Stimme nicht zu verurteilen. Ein liebevoller Umgang mit der eigenen inneren und äußeren Stimme ist elementar. Wie soll unsere wahre Stimme zum Vorschein treten, wenn wir ihr gar nicht den Raum dazu geben und sie negativ bewerten?
Fazit: Durch heilsames Singen kommt unser Geist zur Ruhe. Der Körper wird in einen tiefen Zustand der Entspannung geführt. Der Atem wird langsamer und tiefer, die Muskeln entspannen sich und der Stress lässt nach.
Bienensummen: Stellen Sie sich aufrecht hin. Die Füße sind hüftbreit geöffnet und parallel zueinander, die Knie leicht gebeugt und die Schultern entspannt. Beim nächsten Ausatmen durch die Nase summen Sie ein sanftes und feines „mmmh“ in Ihrer Wohlfühltonlage. Die Lippen sind dabei leicht aufeinandergelegt. Stellen Sie sich vor, Ihr Brustkorb weitet sich beim Summen nach vorne und zu beiden Seiten aus. Spüren Sie die feinen Vibrationen und Schwingungen, die in Ihrem Körper entstehen. Wiederholen Sie das Summen mehrmals und spüren Sie in Ihren Körper hinein. Summen wirkt sehr entspannend und regenerierend auf die Stimme. Durch das Vibrieren, das im Körper entsteht, wird eine Lockerung der Muskulatur bewirkt. Die Kehlkopfmuskulatur wird durch einige Minuten sanftes Summen entspannt. Summen ist auch eine wunderbare Möglichkeit, die Stimme morgens in Gang zu bringen. Durch das sanfte Summen löst sich Schleim, der auf den Stimmlippen liegt, meist von selbst. Wichtig ist, dass Sie den Ton niemals mit zu viel Druck bilden, da Sie sonst einen gegenteiligen Effekt erzielen und Ihre Stimme überbeanspruchen.
Heilsames Singen: Gesungen werden meist kurze Lieder mit einer positiven, heilsamen Bedeutung und einem einfachen und kurzen Text. Eine einprägsame Melodie macht Noten überflüssig. Ohne Noten und Leistungserwartungen kann man sich besser auf die eigene Stimme konzentrieren, mit ihr experimentieren und ihr Raum geben.

DIE AUTORINNEN:
Amelie Haug ist ausgebildete Stimmtherapeutin, Singleiterin und Yogalehrerin. Sie bietet an der Akademie Rückenwind in Pforzen- Ingenried Kurse zum Thema heilsames Singen und Stimme an.
LITERATUR ZUM THEMA:
„Die heilende Kraft des Singens”, Wolfgang Bossinger, Traumzeit Verlag
Hier eine kleine Stimmübung, um die Stimme und den Körper zu entspannen.
Kontakt
Web: www.akademie-rueckenwind.de