Vom Lernfrust zur Lernlust
Lernen ist ein Prozess, der uns das ganze Leben begleitet. In der Kindheit lernen wir mit großer Freude, freiwillig, so leicht und so schnell wie niemals später: unsere Muttersprache, unzählige Bewegungsabläufe, soziale Prozesse und vieles mehr! Während der Schulzeit sieht das Lernen dann oft anders aus: Frust statt Freude, Fremdbestimmung statt Freiwilligkeit, Angst statt Begeisterung. Und immer wieder schlechte Noten. Wie reagieren nun viele Eltern und auch Fachleute darauf? Wer nicht gut lesen kann, soll mehr Lesen üben, wer nicht gut rechnen kann, soll noch mehr rechnen üben. Manchmal hilft dies, aber oft sind ganz andere Maßnahmen nötig, um die Situation zu verbessern. Seit über zwanzig Jahren Praxiserfahrung mit lern- und verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen beschäftigt mich folgende Frage immer wieder neu:
Wie kann es sein, dass Kinder Talente haben und intelligent sind, aber trotzdem schlechte Noten schreiben?
Häufig genügt Üben eben nicht. Es kann eine Legasthenie, eine Rechenschwäche oder ADHS vorliegen oder andere Teilleistungsschwächen versperren den Weg zu besseren Leistungen. Eine ganzheitliche Diagnostik sucht gründlich nach den Ursachen und kann so die besten Lern- und Therapiemethoden finden, um diesen Kindern wirklich zu helfen. Bei Legas thenie wird z.B. untersucht, ob Grundlagen wie die Buchstaben/ Laut-Zuordnung und eine gute Augenmotorik vorhanden sind und ob die Händigkeit stimmt. Außerdem habe ich ein Rechtschreibprogramm mit Geschichten und Bildern für Bilddenker entwickelt. Bei Konzentrationsstörungen/ ADHS wird u.a. geschaut, ob eher Elterncoaching oder Neurofeedback hilft oder eine tief gehende Konzentrationstechnik, vielleicht auch eine Nährstofftherapie oder Homöopathie. Bei Rechenproblemen sind z.B. ein Lernen mit allen Sinnen sowie der Einsatz von Rechenmaterial hilfreich. Für Prüfungsstress und Versagensangst gibt es ebenfalls wunderbare Techniken, die kaum bekannt sind.
In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass die einfachste Hilfe für alle, die gestresst sind und unter Druck stehen, folgende simple Aufforderung ist: „Bitte, streng dich nicht mehr an!“ Die meisten werden sofort ruhiger und können sich besser konzentrieren. Wenn sie so sein dürfen wie sie sind, kann ein Lernflow entstehen, der leichtes Lernen ermöglicht. Probieren Sie es selbst aus, sie müssen es mir nicht glauben.
Viele Kinder (und auch Erwachsene), die Lernprobleme haben, sind Bilddenker. Bei Bilddenkern ist die rechte Gehirnhälfte besonders gut entwickelt, deshalb sind sie kreativ, haben viel Phantasie, denken wesentlich schneller und können komplexe Zusammenhänge in einem Bild erfassen. Leider ist jedoch die Umsetzung von dem, was sie eigentlich wissen, in die Welt der Buchstaben für sie schwierig. Diese Schüler sind dann oft im Mündlichen deutlich besser als in schriftlichen Proben. Da unser Schulsystem vor allem die linke Gehirnhälfte fordert und fördert, indem sie primär linearlogisches Denken abverlangt und mehr sprachlich als bildlich ausgerichtet ist, tun sich diese Schüler in der Schule oft schwer.
Was können nun Eltern und Lehrer tun? Zunächst geht es um eine Wertschätzung dieser Schüler. Wenn sie sich als Schulversager fühlen, sollte man sie auf ihre besonderen Begabungen und Talente hinweisen und ihnen solche Tätigkeiten ermöglichen, die ihr Selbstwertgefühl wieder aufbauen: Sport, Theaterprojekte, Pfadfinder, „Schule der Phantasie“, handwerkliche Tätigkeiten und vieles mehr. Möglicherweise kann ein Wechsel auf eine Waldorf- oder Montessori- Schule sinnvoll sein. Außerdem brauchen diese Kinder besondere Lernmethoden und einen bildhafteren Unterricht. Es gibt sehr effektive Lern- und Konzentrationsmethoden speziell für Bilddenker, die leider viele Päda – gogen und Eltern nicht kennen. Oft helfen aber auch schon eine bildhaftere Sprache und eine bildhafte Präsentation des Lernstoffs.
Die von mir 2002 konzipierte Ganzheitliche Lerntherapie geht also auf die verschiedenen Ursachen und den Denkstil ein und bietet ein breites Spektrum an Lern- und Therapiemethoden. Des Weiteren ist die Förderung von Kopf, Herz und Hand wichtig. Lern – therapie soll sowohl bessere Noten ermöglichen als auch die gesamte Persönlichkeit und deren Potentiale fördern. Es geht uns nicht nur darum junge Menschen so zu fördern, dass sie in der Schule besser zurechtkommen und später in der Wirtschaft „erfolgreich“ funktionieren; wir beabsichtigen zusätzlich wichtige Begabungen und Talente zu entdecken und zu fördern. Dadurch finden junge Menschen leichter einen erfüllenden Beruf sowie einen wertvollen Platz in der Gesellschaft und können dadurch die Zukunft positiv bereichern. Ganzheitliche Lerntherapie ist interdisziplinär ausgerichtet, da Erkenntnisse aus Medizin, Pädagogik und Psychologie integriert werden. Sie ist individuell, indem ganz auf das einzelne Individuum eingegangen wird. Und sie entlastet Eltern und Lehrer. Statt Ganzheitliche Lerntherapie kann man deshalb auch von Interdisziplinärer Integrativer Lerntherapie sprechen. Alle Methoden und Techniken sind auch bei Erwachsenen einsetzbar. Ziel ist, dass sowohl Kinder als auch Erwachsene wieder mit Freude und Leichtigkeit lernen!
DER AUTOR:
Stefan Reiner Lerntherapeut (FiL), Lehrer und Coach, Leiter des Instituts Neues Lernen und der Lerntherapeutischen Praxis München
LITERATUR ZUM THEMA:
„Vom Lernfrust zur Lernlust”, Stefan Reiner Ganzheitliche Behandlung von Lernproblemen. Ein Ratgeber mit Diagnostikteil und vielen Tipps.
Kontakt
Web: www.institut-neues-lernen.de