Ein Gefühl von Freiheit durch Barfußgehen
Oh, Sie haben ja keine Schuhe an!“ „Ich bin fast immer barfuß“, antwortete ich. „Auch draußen im Freien?“ Ungläubigkeit machte sich in ihrem Gesicht breit, schließlich war es mitten im Januar. Die darauf folgende Frage höre ich oft. Ich nickte. „Sind Sie barfuß gekommen? Also das … das glaube ich nicht.“ Sie wandte sich hilfesuchend an den Gastgeber. Er beruhigte sie: „Es stimmt. Das machst du doch schon seit vier Jahren, oder?“ In ihrem Gesicht las ich das, was ich meistens lese: Überraschung. Kurze Verwirrung, wen man denn da vor sich hat. Ist sie betrunken oder einfach nur leichtsinnig? Da ich dann doch – bis auf die blanken Füße – relativ normal aussehe, kommen meistens die ersten Fragen nach dem Warum und Wie.
Wenig ist so überraschend für unsere Umwelt als ein Verzicht auf Schuhe. „Jeder vernünftige Mensch“ trägt doch Schuhe! Aber sind wir damit wirklich so vernünftig? Angeblich tragen wir zum Schutz Schuhe. Aber warum stecken wir dann unsere Hände nicht permanent in Handschuhe? Die klemmen wir uns ein, haben Schnittwunden, Blasen und Risse. Doch Hände heilen und Pflaster gibt es auch. Das gilt auch für die Füße. Eigentlich müssten die Zehen folgendes tun können: Der große und kleine Zeh liegen entspannt am Boden und die drei in der Mitte gehen selbstständig nach oben und unten, als ob sie winken würden. Das können Sie nicht? Willkommen im Club! Wenn uns das mit den Fingern passieren würde, wäre der Aufruhr groß.
Wir erkennen an den Füßen, ob wir unser Gefühl für den Körper verloren haben. Viele erspüren sich nur noch als Kopf. Als denkenden Apparat. Der Rest läuft so mit. Soll keinen Ärger machen. Und doch sind wir ganzheitliche Wesen. Unsere Füße sind unsere Wurzeln und brauchen Aufmerksamkeit. Wenn sie z. B. dauernd kalt sind, dann sind sie eigentlich wie abgestorben. Der Körper durchblutet den Fuß nicht mehr richtig, denn er liegt ja quasi dauernd im Gips-Bett. Auch ich hatte früher häufig kalte Füße, aber durch das Barfußgehen haben sie sich erstaunlich schnell angepasst: Sie werden zwar ab und zu kalt, aber enorm schnell auch wieder warm. Früher dauerte dies mit dicken Socken und Wärmflasche eine gefühlte ganze Nacht, heute dauert es nicht mal eine Minute.
Außerdem ist der harte Auftritt mit der Ferse – ich trete mit dem ganzen Fuß auf bzw. mit dem Ballengang – nur mit Schuhen möglich. Ohne wäre es für uns zu schmerzhaft. Aber der nicht mehr erspürte harte Aufprall von unten muss nach oben abgefedert werden: Von den Knien. Von der Hüfte. Vom Rücken. Da erstaunt es nicht mehr, dass Probleme gerade in diesen Bereichen enorm zugenommen haben. Außerdem stehen wir nicht mehr gerade, denn jeder Absatz zwingt den Körper oberhalb der Fü.e dazu, die Balance auszugleichen.
Wir sind umgeben von elektronischen Geräten, auch deshalb braucht unser Körper die Verbindung mit der Natur. Und das geht über das „mal frische Luft schnappen“ hinaus. Das bedeutet eben auch die Natur zu erspüren und in Kontakt mit ihr zu treten. In wirklichen Kontakt. „Grounding“ nennt man das auch. Alles was uns nährt, kommt von der Erde und ist es nicht eigenartig, dass wir versuchen den Kontakt mit genau dieser Erde zu vermeiden? Wenn ich gefragt werde, warum ich barfuß gehe, dann sage ich als erstes: „Weil es Spaß macht.“ Es ist eine große Freude im Regen spazieren zu gehen. Zu erspüren, wie sich Wiese, Erde, Pflaster und Steine anfühlen.
Barfuß gehen ist für viele von uns höchstens im Sommer erlaubt und auch nur am Strand oder mal ein paar Minuten auf der Wiese. Es gibt genügend Leute, die nur noch in der Dusche und im Bett ohne Schuhe sind. Als ich auf meiner Facebook Fanpage-Seite als wöchentliche Übung das Barfussgehen vorschlug – es war da bereits schon Herbst – waren die Reaktionen gemischt. Ein paar haben es dann doch ausprobiert und waren begeistert: „Unser Rasen hat sich wie ein nasser Schwamm angefühlt. Ich wusste gar nicht, dass sich das so toll anfühlen kann“ – „Ich fühlte mich, als ob mich Mutter Erde willkommen heißt.“ – „Meine Kinder konnten es kaum glauben, dass ich ihnen im tiefsten Winter erlaubte ohne Stiefel in den Garten zu gehen. Sie tobten ein paar Mal ums Haus und kamen glücklich wieder zurück. Das alleine war es schon wert.“
Wenn es uns barfuß zu unangenehm wird, dann hören wir eben wieder auf. Es geht nicht darum, wer im Winter am längsten im Schnee aushalten kann – auch das hat nichts mit gesunder Körperwahrnehmung zu tun –, sondern es geht darum, seinem Körper zu vertrauen und wenn es ihm zu kalt wird, ihn wieder zu schützen. Wir brauchen dann Schuhe, wenn wir Handschuhe brauchen: Es ist zu kalt, zu heiß oder zu gefährlich. Vielen kostete das Ausprobieren extreme Überwindung, nicht wenige machten sich Sorgen, was denn die Nachbarn denken. Die Nachbarn werden uns wahrscheinlich für verrückt halten. Das ist alles. Wir werden nicht als Hexen verbrannt und man wird uns keine schweren Gegenstände nachwerfen. Vielleicht schüttelt jemand mal den Kopf. Das ist auszuhalten, oder?
Wenig bringt uns so direkt in konstante Achtsamkeit und waches Bewusstsein wie das Barfußgehen. Kein Schritt wird mehr unaufmerksam gegangen. Wir beginnen uns auch nach unserem eigenen Rhythmus zu richten – mit jemandem unaufmerksam mitzulaufen – das alles geht „unten ohne“ nicht mehr. Apropos: Für manche ist „oben ohne“ leichter als unten ohne. Die Füße nackt und schutzlos zu zeigen – sich selbst wirklich zu zeigen – auch das ist ein entscheidender Faktor beim Barfußgehen: Traue ich mich das oder doch lieber nicht? Wenn wir uns barfuß zeigen, entwickelt sich ein erstaunliches Gefühl von Freiheit. Es ist eine kindliche Freude, die wieder zurückkehrt und die so eng mit dem Barfußgehen verbunden ist. Schade, dass heutige Kinder das oft nicht mehr dürfen. Ein gesunder Fuß kann sich früh eingezwängt in Schuhe eben leider auch nicht entwickeln.
Barfuß zeigen wir uns so, wie wir sind, und erlauben uns mit freiem Fuß – mit leichtem Fuß – die Welt zu betreten. Ab und zu könnten wir uns das doch erlauben, oder? Nur Fliegen ist schöner …
DIE VORTEILE DES BARFUSSGEHENS
- Die Beweglichkeit der Füße wird wieder hergestellt.
- Das Immunsystem wird gestärkt.
- Die Fuß-Muskulatur wird gekräftigt und stabilisiert (Hilfe für Plattfüße etc.).
- Die Füße werden besser durchblutet und sind nicht mehr kalt.
- Die Haltung verbessert sich.
- Die Zehen werden beweglicher und das Fußgewölbe wird stabiler.
- Die Krampfadern werden weniger.
- Es gibt keinen Fußschweiß und keinen Fußpilz mehr.
- Bei Kindern ist Barfußlaufen extrem wichtig für die gesunde Entwicklung des Fußes.
- Übrigens: Blasenentzündungen werden durch Bakterien verursacht, nicht durch kalte Füße
- Man fühlt sich freier und lebendiger.
- Der Gang wird leichter, sanfter und aufmerksamer.
LITERATUR ZUM THEMA:
„Auf freiem Fuß. Ein Jahr ohne Schuhe?” von Sabrina Fox
Allegria Verlag, 352 Seiten, € 17,90
DIE AUTORIN:
Sabrina Fox beschäftigt sich seit über 25 Jahren mit ganzheitlichen Themen. Sie ist Bestseller-Autorin von über einem Duzend Büchern, absolvierte Ausbildungen als klinische Hypnosetherapeutin, Mediatorin, Konflikt-Coach und studierte Bildhauerei, Gesang und Rhythmus.
Kontakt
Web: www.SabrinaFox.com