„In der Meditation liegt eine offene Einfachheit und Alltäglichkeit, die fast magisch ist; sie ist gesund, klar, wach, voller Humor, Freude und Weisheit, äußerst kraftvoll, mitfühlend und erhebend.“
Wenn Du Bücher über Meditation liest, oder oft, wenn Meditation von unterschiedlichen Gruppen vorgestellt wird, dann wird viel Nachdruck auf die Technik gelegt. Im Westen neigen die Menschen zu einem besonderen Interesse an der “Technologie“ der Meditation. Jedoch, das bei weitem wichtigste Merkmal der Meditation ist nicht die Technik, sondern die Art des Seins, der Geist.
Ebenso muss man sich im klaren sein, dass man in eine völlig andersartige Dimension von Wirklichkeit eintritt, wenn man mit der Meditiationspraxis anfängt. Normalerweise verwenden wir viel Mühe darauf, Dinge zu erreichen, und damit ist viel Anstrengung verbunden, während es in der Meditation gerade um das Gegenteil geht; es ist eine vollständige Unterbrechung unserer normalen Handlungsweise, denn es ist ein Zustand ohne Streben, in dem es weder Annehmen noch Zurückweisen gibt, weder Hoffnung noch Furcht.
Meditation ist eine Frage von Sein
Meditation ist einfach eine Frage von Sein, von Schmelzen, wie ein in der Sonne gelassenes Stück Butter. Es hat nichts damit zu tun, ob Du irgendetwas darüber “weißt“ oder nicht; jedes Mal, wenn Du Meditation praktizierst, sollte es frisch sein, als ob es zum allerersten Mal geschähe. Du sitzt einfach ganz ruhig , Dein Körper still, Deine Sprache schweigend, Dein Geist entspannt, und Du erlaubst Gedanken zu kommen und zu gehen, ohne sie festzuhalten. Wenn Du zur Unterstützung etwas brauchst, worauf Du Dich konzentrieren kannst, so beobachte einfach Deinen Atem. Wenn Du ausatmest, sei Dir bewusst, dass Du ausatmest; wenn Du einatmest, sei Dir bewusst, dass Du einatmest, ohne einen zusätzlichen Kommentar dazu abzugeben, ohne Analysieren oder inneres geistiges Geschätz. Diese sehr einfache Bewusstheit filtert Deine Gedanken und Gefühle, und schließlich – wie wenn eine alte Haut abgeworfen wird – wird etwas abgeschält und befreit. Gewöhnlich versuchen die Leute, ihren Körper zu entspannen, indem sie sich auf verschiedene Teile konzentrieren. Wirkliche Entspannung aber kommt, wenn Du Dich tief von innen heraus entspannst, denn dann wird sich alles andere ganz natürlich von alleine lösen.
Das erste, was es in der Meditation zu lernen gibt, ist, das neurotische Selbst “abzuwerfen“ und stattdessen einfach in Ruhe zu “sein“, Herzensruhe, Frieden und Zufriedenheit zu finden. Hier kann zu Beginn die Natur eine große Hilfe sein; zum Beispiel in den Himmel schauen oder dem Geräusch eines Wasserfalls lauschen.
„In der Meditation liegt eine offene Einfachheit und Alltäglichkeit, die fast magisch ist; sie ist gesund, klar, wach, voller Humor, Freude und Weisheit, äußerst kraftvoll, mitfühlend und erhebend.“
Gedanken sind wie der Wind – Sie kommen und gehen
Am Anfang Deiner Meditationspraxis fangen die Gedanken an, sich auszutoben – sogar noch wilder als zuvor. Dennoch ist dies ein gutes Zeichen, denn endlich ist Dir bewusst geworden, wie wild der Zustand Deines Geistes ist. Es ist nun nicht so, dass Deine Gedanken wilder geworden wären, sondern da Du ruhiger geworden bist, merkst Du nun, wie wild einfach Deine Gedanken wirklich sind. An diesem Punkt brauchst Du Humor … ernsthaften Humor! Gib nicht auf! Was auch immer auftaucht, bleib einfach gegenwärtig und beobachte den Atem. Nach einer Weile wird manches zur Ruhe kommen und langsam ein Gefühl von Frieden entstehen. In der Meditation werden wir erinnert, bewusst und achtsam zu sein. Das bedeutet, dass Du natürlich fließen lässt, was auch immer aufsteigt – wie ein alter Mann, der einem Kind beim Spielen zusieht. Wenn Du denkst, lass den Gedanken einfach aufsteigen und sich setzen, ohne jeden Zwang. Gedanken sind wie der Wind, sie kommen und gehen. Die grundlegende Haltung in der Meditation ist, den natürlichen Fluss der Gedanken zuzulassen, während Du gleichzeitig Deinen Geist “frei von Nachgedanken“ hältst. Wir neigen zu der Annahme, dass es keine Gedanken geben sollte, während wir meditieren, und wenn Gedanken auftauchen, nehmen wir an dass wir es nicht richtig machen. Das ist aber nicht der Fall. Du musst erkennen, dass Gedanken großenteils dazugehören. Es ist alles nur eine Frage Deiner Haltung ihnen gegenüber. Wenn Du in den Zustand von Meditation gelangst, belästigen sie Dich nicht mehr länger; sie werden wie sanfte angenehme Hintergrundmusik. Wenn Du selbst einfacher bist, sind die Dinge weniger schwierig.
Du beginnst Deine wahre Natur zu erfahren
Sitz einfach ganz ruhig und lass all Deine Gedanken und Konzepte sich auflösen in die Reinheit der inhärenten Natur Deines Geistes. Es ist, wie wenn Wolken sich auflösen oder Nebel sich verflüchtigt, um den klaren Himmel zu enthüllen und die Sonne durchscheinen zu lassen – voller Freude. Wenn alles sich auf diese Weise auflöst, beginnst Du Deine wahre Natur zu erfahren – live. Dann weißt Du – und in diesem Moment fühlst Du Dich wirklich gut. Es ist anders als jegliches Gefühl von Wohlbefinden, das Du bisher erfahren hast. Es ist eine wirkliche uns ursprüngliche Gutheit, in der Du ein tiefes Gefühl von Frieden, Zufriedenheit und Vertrauen in Deine wahre Natur empfindest.
Der erste Schritt in der Meditation ist der, Großzügigkeit und Freundlichkeit Dir selbst gegenüber zu entdecken. In diesem Leben suchen wir nach Sinn und stellen fragen, wie “Wer bin ich?“ Die eigentliche Antwort liegt in der Erkenntnis Deiner wahren Natur. Wenn Du sie in Dir erkennst, sind all die Antworten schon da. Bis dahin wirst Du keine vollständige Befriedigung finden, wie sehr Du auch suchen magst. In der Meditationspraxis wird, wenn wir uns besänftigen, beruhigen und einfach sein können, etwas enträtselt – Gutzeit und die Natur des Geistes.
Man braucht nicht lange zu meditieren; verbleib einfach ruhige, bis Du ein wenig offen bist und fähig, Dich mit der Essenz Deines Herzens zu verbinden. Das ist der wichtigste Punkt.
Was immer Du tust, Du bist voll gegenwärtig in der Handlung
Ist einmal Deine Achtsamkeit durch Meditation erweckt worden, ist Dein Geist ruhig und Deine Wahrnehmung ein wenig reiner und einheitlicher. Dann bist Du, was immer Du tust, präsent. Wie in dem berühmten Spruch eines Zen-Meisters: “Wenn ich esse, esse ich; wenn ich schlafe, schlafe ich.“ Was immer Du tust, Du bist voll gegenwärtig in der Handlung. Sogar Geschirrspülen, wenn es bewusst getan wird, kann sehr belebend, befreiend oder reinigend sein. Du bist friedvoller, deswegen bist Du mehr “Du“.
Wenn Du durchhältst, wirst Du Stabilität entwickeln, und die wirkliche Tiefe von Meditation wird wirksam werden. Du wirst er fahren, dass allmählich und beinahe unmerklich sich Deine Haltung zu verändern beginnt. Du klammerst Dich nicht mehr so fest an die Dinge oder greifst so gierig nach ihnen wie zuvor; und obwohl Krisen immer noch auftreten werden, kannst Du ein bisschen besser damit umgehen, mit mehr Humor und Leichtigkeit. Du wirst sogar imstande sein, über Deine Schwierigkeiten ein bisschen zu lachen, da mehr Raum zwischen Dir und ihnen ist, und Du bist freier von Dir selbst. Die Dinge verlieren ihre Festigkeit, werden ein klein wenig lächerlich, und Du wirst unbeschwerter.
Der Mensch ist ein Fremdling auf der Erde.
Er ist hier, aber er gehört nicht hierher.
Er versucht auf jede Art, sich ein Heim zu schaffen, Beziehungen zu schaffen, aber alles schlägt fehl.
Er bleibt obdachlos, solange er nicht nach innen schaut, denn da ist sein wirkliches Zuhause.
Sobald wir einmal wissen, wer wir in unserer inneren Welt sind, verschwindet das Gefühl, ein Fremder zu sein.
Du hast dein Heim, dein Universum gefunden.
Osho
DER AUTOR:
Sogyal Rinpoche Lama, Gelehrter und Meditationsmeister aus Tibet